Stärke kaufen – nicht Schwäche retten
Ein psychologisches Umdenken für Investoren
Viele Anleger folgen einer einfachen Regel: günstig kaufen, teuer verkaufen. Doch was, wenn genau diese Regel zu falschen Entscheidungen führt? Was, wenn vermeintlich teure Aktien – also solche, die sich in der Nähe ihrer Allzeithochs befinden – langfristig die besseren Resultate liefern? Diese Fragestellung bildet den Kern einer immer wieder bestätigten Beobachtung: Erfolgreiche Aktien erreichen nicht nur einmal, sondern mehrfach neue Höchststände. Und das aus gutem Grund.
Die Kraft des Trends – nicht gegen, sondern mit dem Markt
Aktien, die bereits stark gestiegen sind, wirken auf viele Anleger abschreckend. Sie erscheinen „zu teuer“, der „Zug sei abgefahren“. Doch genau hier beginnt das Umdenken: Ein positiver Kursverlauf, der zu einem neuen Hoch führt, ist oft nicht Zufall, sondern Ausdruck starker Fundamentaldaten, einer hohen operativen Qualität und einer positiven Marktmeinung.
In der Praxis zeigen diese Aktien oft eine geringere Verkaufsbereitschaft unter den Investoren – denn wer im Gewinn liegt, ist zufriedener. Das Resultat: geringerer Verkaufsdruck, geringeres Überangebot und damit mehr Raum für weiter steigende Kurse. Es ist das Prinzip der „Linie des geringsten Widerstands“. Kursgewinne ziehen weitere Kursgewinne nach sich – nicht aus irrationaler Euphorie, sondern weil sich Erfolg verstärkt, wenn er sichtbar wird.
Psychologie schlägt Logik – warum Anleger „Bottom Fishing“ lieben
Anleger lieben Schnäppchen. Das Bedürfnis, ein vermeintliches Tief zu erwischen, ist tief verankert. Doch viele sogenannte Turnaround-Strategien entpuppen sich als Bumerang: Die erhoffte Wende bleibt aus, der Abwärtstrend setzt sich fort, und es entsteht psychologischer Druck. Anleger hoffen dann nur noch auf die „Rettung“, statt auf fundamentalen Erfolg. Der durchschnittliche Investor verhält sich wie jemand, der lieber einen fallenden Stern kauft in der Hoffnung, er könnte sich nochmals erheben.
Diese Strategie erzeugt Unsicherheit, denn Verlustpositionen belasten emotional und rational. Genau darin liegt der entscheidende Vorteil von Aktien, die bereits stark gelaufen sind: Sie erzeugen Vertrauen, Motivation und Stabilität. Das psychologische Momentum arbeitet für den Anleger – nicht gegen ihn.
Investieren in Stärke: Ein Plädoyer für mutige Entscheidungen
Wer langfristig erfolgreich investieren will, sollte den Mut haben, auch in Unternehmen zu investieren, die sich auf Höchstständen befinden. Diese Aktien sind oft nicht überteuert, sondern spiegeln die aktuelle und erwartete Stärke des Geschäftsmodells wider. Ein starker Trend ist kein Zufall, sondern meist Ausdruck von Marktführerschaft, operativer Exzellenz und nachhaltiger Nachfrage.
Das bedeutet: Es kann rational sein, 120 Franken für eine Aktie zu zahlen, die heute 100 Franken wert ist – wenn man überzeugt ist, dass sie in Zukunft 300 Franken wert sein wird. Der Versuch, sie bei 80 zu „erwischen“, ist oft ein riskantes Spiel, das mehr mit Hoffnung als mit Strategie zu tun hat.
Was sagt die Statistik?
Eine eindrückliche Zahl: Nur rund 4 % aller börsennotierten Aktien waren in den letzten 100 Jahren für nahezu die gesamte Wertschöpfung des Aktienmarkts verantwortlich. Diese sogenannten „Super-Performer“ haben eines gemeinsam: Sie verbrachten die meiste Zeit in der Nähe ihrer Allzeithochs. Ihre Charts zeigen langfristige Aufwärtstrends – sie wachsen strukturell, nicht zyklisch. Genau diese Unternehmen bilden das Rückgrat erfolgreicher Portfolios.
Im Umkehrschluss gilt: Die Mehrheit der Aktien, die über Jahre hinweg in der Nähe ihrer Tiefststände notiert, bleibt auch dort. Sie erreichen keinen langfristigen Aufwärtstrend – weil die fundamentalen Probleme eben doch real sind.
Fundamentalanalyse bleibt entscheidend
Auch wenn die psychologische Komponente und das technische Bild eine wichtige Rolle spielen: Die Qualität eines Unternehmens ist entscheidend. Unternehmen, die neue Hochs erreichen, tun dies nicht ohne Grund. Oft handelt es sich um Firmen mit hohem Cashflow, soliden Margen, steigenden Marktanteilen und überzeugendem Management. Diese Merkmale lassen sich messen – und sie bilden die Basis für ein gutes Investment, unabhängig vom aktuellen Kursniveau.
Deshalb gilt: Nicht jeder hohe Kurs ist eine Blase – und nicht jeder niedrige Kurs ist ein Schnäppchen. Die Bewertung muss stets im Kontext zur Qualität und den Wachstumsaussichten des Unternehmens gesehen werden.
Strategische Implikationen für Anleger
- Vermeide emotionale Käufe bei gefallenen Aktien.
Die Versuchung ist gross, gefallene Titel günstig einzusammeln. Doch oft hat der Markt recht. Viele dieser Aktien sind nicht unterbewertet, sondern fundamental angeschlagen. - Fokussiere auf Aktien mit intaktem Aufwärtstrend.
Nutze technische Marken wie das 52-Wochen-Hoch als psychologische Unterstützung. Stärke zieht Stärke an – und wer sich auf Qualität konzentriert, kann von langfristigen Wachstumstrends profitieren. - Behalte das grosse Bild im Blick.
Ein starker Kursverlauf ist ein Symptom – kein Zufall. Unternehmen, die über Jahre hinweg neue Hochs erreichen, haben sich diese Position meist verdient. Dort spielt die Musik – nicht in den vermeintlichen Schnäppchenecken. - Diversifikation nicht vergessen.
Eine Strategie, die auf starke Aktien setzt, kann durch Klumpenrisiken scheitern. Streue deine Investments über mehrere strukturell starke Sektoren – etwa Technologie, Gesundheit, Infrastruktur oder Konsum. - Disziplin ist der Schlüssel.
Erfolgreiche Anleger handeln nicht aus dem Bauch heraus. Sie folgen klaren Regeln – auch wenn diese manchmal kontraintuitiv erscheinen. Wer das „teuer wirkt, also Finger weg“-Muster durchbricht, kann neue Chancen erkennen.
Fazit: Der Mut, Hochs zu kaufen, wird oft belohnt
Wer lernt, mit dem Markt statt gegen ihn zu investieren, wer sich von Allzeithochs nicht abschrecken lässt, sondern sie als Zeichen der Stärke interpretiert, wird langfristig bessere Resultate erzielen – selbst wenn es zu Beginn ungewohnt erscheint.
Die Idee, dass man nur günstig einkaufen darf, ist tief in der Investmentwelt verankert – aber sie ist oft trügerisch. Qualität hat ihren Preis. Und Wachstum ist nicht billig zu haben. Eine fokussierte Strategie, die psychologische Fallstricke meidet und sich auf starke Unternehmen in starken Trends konzentriert, hat deutlich bessere Erfolgsaussichten als das klassische „Bottom Fishing“.