Wer schreibt unsere Geschichte? Ein Aufruf zum Denken

  • Vier Schlüsselbegriffe können dabei helfen:
    • Narrative
    • Utopie
    • diskursives Denken und
    • Ideologien
  • Das heisst:
    • Anzuerkennen, dass jede Tat von unzähligen Narrativen umfasst ist – oft widersprüchlich, oft manipulativ.
    • Die eigene Perspektive als eine von vielen zu begreifen – ohne sich selbst zu verlieren.
    • Aktiv nach den Erzählungen der „anderen Seite“ zu suchen – nicht um ihnen recht zu geben, sondern um sie zu verstehen.
    • Fragen zu stellen: Wer erzählt diese Geschichte? Mit welcher Absicht? Welche Begriffe werden gewählt? Welche Bilder erzeugt die Sprache? Wem nützt diese Deutung?

Das klingt vielleicht utopisch. Doch vielleicht ist eine Utopie kein fixer Endpunkt, sondern eine Richtung – ein Kompass für unsere Haltung. Eine Gesellschaft, in der Bürger nicht länger passive Empfänger von Deutungen sind, sondern aktive Teilnehmer des Diskurses. Eine Gesellschaft, die den Mut hat, zwischen der stummen Tat und dem lauten Narrativ innezuhalten – und zu reflektieren.

Ideologien sind mehr als politische Systeme – sie sind Deutungsmuster, die vorgeben, wie die Welt zu verstehen sei. Sie ordnen Ereignisse ein, sagen, wer Freund oder Feind ist, was richtig und falsch erscheint.

Häufig wirken sie unsichtbar – als „gesunder Menschenverstand“, als „es war doch schon immer so“. Doch sie prägen unsere Wahrnehmung tiefgreifend. Narrative sind ihre Sprache, Diskurse ihr Verbreitungsraum.

Wer diskursiv denkt, verlässt das starre Raster der Ideologien – ohne Wahrheiten zu leugnen. Es geht nicht darum, ohne Weltbild zu leben, sondern sich der eigenen ideologischen Prägung bewusst zu werden. Denn nur wer erkennt, auf welcher Landkarte er steht, kann wirklich frei den Weg wählen.

  • Deshalb ist es so wichtig, Narrative zu hinterfragen:
    • Stimmt diese Geschichte wirklich?
    • Wer erzählt sie – und warum?
    • Was wird ausgeblendet?

Damit schliesst sich der Kreis zu einem anderen, hoffnungsvollen Gedanken Schillers:

„Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei – und wär er in Ketten geboren.“

Die äusseren Ketten – das sind die Taten, die geschehen. Die Narrative, die uns auferlegt werden. Die innerste Freiheit aber ist: zu denken, zu zweifeln, zu deuten – selbst.

Die Tat mag stumm sein. Der Ausgang mag die offizielle Geschichte schreiben. Aber welche Bedeutung wir ihr für uns geben – das ist unsere Entscheidung.

Fordern wir die Deutungshoheit über unseren eigenen Verstand zurück. Hören wir auf den Lärm – aber lauschen wir auch auf die Stille dazwischen. Denken wir selbst – sonst tun es andere für uns.

„Sapere aude – Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“
– Immanuel Kant