Rückkehr ins Chaos? Der „Genius Act“ und das digitale Free Banking – eine Warnung von Barry Eichengreen
Der „Genius Act“ soll die USA zur digitalen Führungsmacht machen – mit Stablecoins, die künftig von Walmart, Amazon oder Krypto-Startups ausgegeben werden. Doch Ökonom Barry Eichengreen warnt: Das erinnert an die Zeit des Free Banking im 19. Jahrhundert – und könnte unser Zahlungssystem destabilisieren. Eine historische Analyse mit hochaktuellen Risiken.
Stablecoins gelten als Schlüssel zur digitalen Zukunft des US-Dollars. Doch mit der geplanten Freigabe privater Emittenten droht ein Rückfall in ein fragmentiertes, instabiles Geldsystem – wie im 19. Jahrhundert. Vertrauen, Regulierung und Systemstabilität stehen auf dem Spiel.
Hinweis: Dieser Beitrag ist die Fortsetzung meines Artikels „US‑Stablecoin‑Gesetz Genius Act – Was verändert sich?“. Dort habe ich die Mechanik und Motivation des Gesetzes analysiert – hier vertiefen wir mit Prof. Barry Eichengreen die historischen Parallelen und diskutieren die Gefahren eines digitalen Free-Banking.
Wer ist Barry Eichengreen?
Barry Eichengreen ist Professor für Wirtschaft und Politikwissenschaft an der University of California, Berkeley. Er gilt als einer der führenden Experten für Währungsgeschichte und Finanzkrisen. Seine Forschung zur Weltwirtschaftskrise, zur Geschichte des Dollars und zur internationalen Geldordnung findet weltweit Beachtung.
Was ist das digitale Free Banking?
Der „Genius Act“ erlaubt es tausenden Unternehmen, eigene Stablecoins herauszugeben – digitale Dollar, die mit realen Vermögenswerten wie US-Staatsanleihen hinterlegt sind. Diese Regelung erinnert an die Ära des „Free Banking“ im 19. Jahrhundert, in der viele US-Bundesstaaten privaten Banken erlaubten, eigene Währungen auszugeben.
Damals führte das zu:
- Bankenpleiten, Panik und Vertrauensverlust
- unzähligen Dollar-Varianten mit unterschiedlichem Wert
- regionaler Instabilität und wirtschaftlichem Chaos
Eichengreen warnt: Ohne einheitliche Regulierung und lückenlose Aufsicht drohen ähnliche Probleme – nur digital und globaler.
Wo liegen die Risiken heute?
Das geplante System basiert auf zwei Grundannahmen:
- Jede digitale Münze ist 1:1 durch reale Werte gedeckt
- Regulierungsbehörden und Prüfer sorgen für vollständige Transparenz
Doch schon die Silicon Valley Bank (2023) zeigte, wie schnell Vertrauen verloren geht – selbst bei regulierten Instituten. Wenn heute hunderte Stablecoin-Emittenten plötzlich unter Druck geraten, könnten sie massenhaft Staatsanleihen verkaufen – mit gravierenden Folgen:
- Panikartige Rückgaben durch Nutzer
- Crash am Anleihemarkt
- Dominoeffekte auf Banken, Märkte und Wirtschaft
„Die Geschichte hat sich von der privaten Bereitstellung vielfältiger Geldformen abgewandt.“ – Barry Eichengreen
Lehren aus der Geschichte ernst nehmen
Eichengreens Warnung ist klar: Die Risiken des Genius Act liegen nicht in der Technologie, sondern im Vertrauen, in der Regulierung und im Systemdesign. Wer sich an die Free-Banking-Zeit erinnert, erkennt: Nicht alles, was neu klingt, ist fortschrittlich.
Nicht der Coin ist das Risiko – sondern der Mensch, der ihn verantwortet.“
Gesetzgebungsstatus (Stand Juni 2025):
Der Genius Act wurde im Juni 2025 mit breiter Mehrheit vom US-Senat verabschiedet. Die Entscheidung des Repräsentantenhauses steht jedoch noch aus. Sollte es zu einem Abgleich mit dem sogenannten „STABLE Act“ kommen, könnte das Gesetz noch modifiziert werden. Eine endgültige Verabschiedung – inklusive Unterschrift des Präsidenten – steht aktuell noch bevor.
„Zahlungsmittel brauchen Vertrauen – nicht nur Code.“